Der dreifache Weltmeister Peter Sagan stellte mit seinem Sieg in Frauenfeld einen neuen Tour de Suisse Etappensieg-Rekord auf. Wir sprachen mit dem Slovaken am Vorabend zum Start in die Frühjahrsklassiker.
Tour de Suisse: Hat es sich für dich an diesem sonnigen Tag in Frauenfeld ein bisschen so angefühlt, als würdest du nach Hause kommen? Es war dein inzwischen 16. Sieg bei der Tour de Suisse. Die Ziellinie war mit riesigen slowakischen Flaggen und Weltmeisterflaggen bedeckt.
Peter Sagan: Um ehrlich zu sein, jeder Sieg ist schön, in jedem Rennen. Meine Siege in der Schweiz sind jedoch schöner und einen neuen Rekord bei Etappensiegen aufzustellen, ist immer eine gute Motivation. Die slowakischen Fans sind unglaublich, wo auch immer ich auf der Welt bin, sie sind immer da, und ihre Zuneigungsbekundungen treiben mich an.
TdS: Dieser erste Etappensieg war dein erster Sieg nach dem Gewinn des Monuments Paris–Roubaix. Danach hast du gleich drei Etappen bei der Tour de France gewonnen. Wie wichtig war dein damaliger Sieg in Frauenfeld?
PS: Es war ein sehr schöner Sieg, denn die Tour de Suisse ist ein Rennen, das mir unheimlich gut gefällt. Ich liebe die Landschaft. Die Organisation ist fantastisch. Sie läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Die Fans sind grossartig. Es gibt ein starkes Teilnehmerfeld, was die Tour de Suisse auch zu einer perfekten Vorbereitung auf die Tour de France macht.
TdS: Es hatte den Anschein, als würden die Leute mehr über deine Aktion in der dritten Etappe sprechen als über deinen Sieg am Vortag. Weisst du noch, warum du beim letzten Anstieg am nächsten Tag diesen brutalen Soloangriff versucht hast? Damit hast du sogar die Kletterer zurückgelassen.
PS: Man muss manchmal etwas anderes ausprobieren, auch wenn es riskant ist. Das ist auch für die Zuschauer, das Fernsehpublikum und das Rennen an sich gut. Schlussendlich mag es nicht funktionieren, aber so sorgst du für Spannung und machst das Rennen interessant.
TdS: Wissenschaft und Technik werden immer wichtiger. Rennen werden in der Regel auf den letzten Kilometern entschieden. Taktieren, Kräfte ressourcensparend einsetzen und Leistungswerte sind oft wichtiger als risikoreiches Fahren und Panache. Ist es korrekt zu sagen, dass du dich sehr anstrengst, diesem Trend nicht zu sehr zu folgen?
PS: Ich folge meinem Instinkt und es ist schön, Rennen spannend zu gestalten. Wir sind jedoch Profisportler und müssen uns an das Rennumfeld anpassen.
TdS: Dieses Jahr ist bereits dein zehntes Jahr auf WorldTour-Level. Wie schaffst du es, immer noch Spass am Rennen und auf dem Rad zu haben?
PS: Ich liebe, was ich mache und ich sitze gerne auf dem Rad! Das ist mein Lebensmotto, man muss lieben, was man macht. Nur so kannst du der Beste sein und Spass haben, auch nach 10 Jahren.
TdS: Nach all deinem Erfolg und deinen Einzelangriffen lassen dich die anderen im Peloton nicht mehr so einfach ziehen, wie sie es vielleicht am Anfang getan haben. Wie musstest du dich als Fahrer seit den ersten Jahren von Liquigas-Cannondale bis heute weiterentwickeln?
PS: Ich habe mich als Mensch und Fahrer weiterentwickelt, ebenso wie sich die Ziele und die Herausforderungen verändert haben. Es ist klar, dass du Dinge anders angehst, je weiter du in deiner Karriere voranschreitest, je mehr Ziele du erreichst. Das Team oder die Sponsoren haben andere Erwartungen an dich. Dennoch bin ich tief im Inneren derselbe Mensch, ich habe mich nicht verändert. Ich fahre noch immer gerne Rad und versuche in jedem Rennen mein Bestes zu geben.
TdS: Bei Cannondale und Tinkoff schienst du ein einsamer Krieger zu sein; jetzt, bei BORA-hansgrohe, bist du der Captain und das Team ist mit jedem Jahr stärker und stärker geworden. Inwiefern macht diese Tatsache das Rennen für dich anders?
PS: Es ist komplett anders als junger, fast unbekannter Fahrer, als wenn du einige der grössten Rennen der Saison im Visier hast. Du brauchst Rückendeckung, und das ist es, was wir bei BORA-hansgrohe geleistet haben. Ich würde sagen, dass wir 2019 das vollständigste Klassiker-Team haben, das wir je hatten. Wir haben in den letzten drei Saisons ein stärkeres Team aufgebaut, wir haben Fahrer aufgenommen, die Kraft und Erfahrung mitbringen. Es war ein fortlaufender Prozess. Wir werden sehen, wie sich die Dinge in diesem Jahr entwickeln.
TdS: Du hast in diesem Jahr ein ziemlich umfangreiches Programm, das fast alle Frühlingsklassiker umfasst. Wirst du versuchen, dich auf mehrere Rennen zu konzentrieren, um zu sehen, was passiert, anstatt alle Hoffnungen und Druck auf ein oder zwei Monumente zu setzen?
PS: In diesem Jahr habe ich meine Klassikerkampagne etwas später als sonst gestartet, da sie sich bis Ende April zieht. Es wäre dumm, sich auf ein oder zwei Rennen zu konzentrieren. Wenn ich an einem Rennen teilnehme, will ich es gewinnen, besonders wenn es um diese Rennen geht. Ich gehe mit nur einem Gedanken an die Startlinie, nämlich alles zu geben, was ich an diesem Tag habe. Das ist es, was ich immer tue, egal wo ich fahre.
TdS: Machst du noch mal Urlaub, um dich etwas zu entspannen, bevor du bei der Tour de Suisse startest und wieder bei der Tour de France um Etappen und das grüne Trikot kämpfst?
PS: Die Zeit von Februar bis August ist die intensivste des Jahres, du verbringst diese Monate praktisch nur auf deinem Rad. Du trainierst oder fährst Rennen. Ich habe keinen richtigen Urlaub. Den mache ich später. An einem freien Tag entspanne ich am besten, wenn ich Zeit mit meiner Familie, meinen Liebsten und meinen Freunden verbringe.
TdS: Du fährst auf der ganzen Welt Rennen. Fällt dir etwas Besonderes ein, das dir von Rennen in der Schweiz in Erinnerung geblieben ist? Irgendetwas, das deine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat oder dir aufgefallen ist?
PS: Die Schweizer Alpen zählen definitiv zu den schönsten Landschaften der Welt, aber die Berge und Anstiege sind hart und scheinen nie zu enden. Du schaffst einen Anstieg, und direkt danach kommt ein anderer.
TdS: Peter, vielen Dank. Alles Gute für alle deine Rennen, und wir freuen uns darauf, dich im Juni in der Schweiz zu sehen.
PS: Danke. Ich werde mein Bestes geben, um so vielen Fans wie möglich während des Rennens zu danken. Ich mag das Schweizer Publikum und die Gastfreundschaft sehr. Es wäre schade, wenn jemand eines Tages enttäuscht ist, weil ich kein Autogramm geben oder kein Foto machen kann. In so einem Fall hat das nichts damit zu tun, dass ich nicht wollte – es ist nur leider nicht immer möglich.