Portrait über Rik Verbrugghe, Sportlicher Leiter Team Bahrain-Merida
Tour de Suisse: Die Saison ist beendet. Was war rückblickend Ihr Saisonhöhepunkt als Sportlicher Leiter?
Rik Verbrugghe: Der Saisonhöhepunkt war nicht, wie die meisten vermuten würden, Nibalis Sieg im Rennen Mailand-Sanremo, sondern sein Sturz auf der Etappe nach Alp d’Huez bei der Tour de France. Das war ein wirklich eindrucksvoller, tragischer Moment. Wir mussten in der Folge das gesamte Team neu organisieren, um bei der restlichen Tour noch ein paar gute Ergebnisse zu erzielen. Das war meiner Ansicht nach ein echter Wendepunkt.
TdS: Können Sie die Funktion eines Sportlichen Leiters kurz beschreiben?
RV: Die Funktion eines Sportlichen Leiters im Allgemeinen zu beschreiben, ist nicht so einfach. Sie umfasst natürlich eine logistische Komponente, insbesondere vor einem Rennen. Am Renntag selbst ist man für die taktische Planung mit dem Team und für die Mitarbeiterorganisation zuständig. Sitzt man bei Rennstart schliesslich im Auto, ist die meiste Arbeit bereits erledigt.
Nun können nur noch kleine Anpassungen an der Taktik und den Anweisungen vorgenommen werden.
Nach dem Rennen sind noch einige logistische Dinge zu erledigen, wie der Transport nach Hause oder zur nächsten Etappe.
TdS: Worin bestehen bei der Tour de Suisse Ihre wesentlichen Aufgaben im Team?
RV: Bei einem Etappenrennen, das immer durch Höhen und Tiefen geprägt sein kann, ist die mentale Einstellung des Fahrers einer der wichtigsten Aspekte für einen Sportlichen Leiter.
Die Hauptaufgabe besteht darin, die Vorbereitungen für die nächste Etappe zu treffen. Man prüft die Route der nächsten Etappe, macht sich Gedanken über Fahrer anderer Teams, die beim Rennen eine wichtige Rolle spielen könnten, und über die Taktik der anderen Teams. So erarbeitet man eine Taktik für den eigenen Schlüsselfahrer und das gesamte Team und plant das Rennen sorgfältig.
Ich denke, die Hauptarbeit eines Sportlichen Leiters erfolgt im Vorfeld des Rennens.
TdS: In letzter Zeit war häufig die Rede davon, Leistungsmesser und Funkgeräte bei Rennen zu verbieten. Wie wichtig sind diese Elemente und erachten Sie persönlich ein Verbot als sinnvoll?
RV: Ich halte es für eine gute Idee, Powermeters beim Rennen zu verbieten. Dies würde sich bestimmt auf einige Fahrer und Teams auswirken.
Ich bin auch für ein Verbot von Funk bei Rennen, da die Rennen auf diese Weise interessanter werden könnten. Aber ich bin der Meinung, der Kapitän jedes Teams (Road Captain) sollte auch weiterhin über Funk verfügen. Dadurch liesse sich die Sicherheit im Rennen erhöhen. Ist überhaupt kein Funkgerät vorhanden, müssten die Teamfahrzeuge (Sportliche Leiter) zum ersten Fahrer des Teams im Hauptfeld fahren, den sie finden, und dies würde das Rennen gefährlicher machen.
Verfügt nur der Kapitän über Funk, würden sowohl er als auch die ganze Mannschaft eine wichtigere Rolle spielen.
TdS: Wir befinden uns nun ausserhalb der Saison. Für die Fahrer und das Team beginnt langsam, aber sicher die neue Saison. Wie unterstützen Sie Fahrer und Team während dieser Zeit?
RV: Wissen Sie, wir haben drei bis vier Trainer/Coaches, vier bis fünf Sportliche Leiter und nächste Saison 25 Fahrer. Die einzelnen Teams sind in kleinen Gruppen von fünf bis sechs Fahrern plus jeweils ein Trainer/Coach und ein Sportlicher Leiter organisiert. Im Winter halten wir den Kontakt zu den Fahrern aufrecht. Die Coaches/Trainer planen das Training für die Fahrer.
Jeder Fahrer ist anders und hat einen individuellen Rennplan. Einige Fahrer müssen im Winter ein spezielles Training absolvieren. Und das unterscheidet sich von Fahrer zu Fahrer. Am wichtigsten ist nun am Ende des Jahres aber das Kilometersammeln für die nächste Saison.
Im Dezember absolvieren wir ein zehntägiges Trainingslager in Kroatien. Dort werden die Fahrer nicht nur ihre Ausdauer trainieren, sondern auch Gespräche mit den Coaches und den Sportlichen Leitern führen. Eine gute Gelegenheit, um über die Rennplanung und den Rennkalender zu sprechen. Und zu versuchen, das gesamte Jahr zu planen. Die Saisonplanung und die Zielbestimmung der einzelnen Fahrer sind eine echte Herausforderung und ein entscheidender Moment des Jahres.
TdS: Danke, Rik, und alles Gute für die neue Saison!